Zehn Gebote für exzellente Hochschullehre – Ergebnisbericht zur Hochschuldidaktikwoche

Das Konzept von „Lernen durch Lehren“ (LdL) stand vom 10. Februar – 14. Februar im Zentrum der Hochschuldidaktikwoche an der KU. LdL ist zunächst als Methode, später als Gesamtmodell vom emeritierten KU-Professor Jean-Pol Martin entwickelt worden und existiert im Schulbereich seit den 1980er Jahren. Seit einigen Jahren findet dieses Konzept auch im Hochschulbereich zunehmend Anwendung. Der thematische Schwerpunkt des Fortbildungsangebotes ist gleichzeitig ein Beitrag der Hochschuldidaktik zum 40-jährigen Bestehen der KU.

LdL ist ein Modell, das sich der Vorbereitung der Lerner auf die Wissensgesellschaft verpflichtet fühlt. Kernidee ist es, möglichst viele Lerner zu möglichst viel Aktivität zu führen und dazu als Grundprinzip den Lernern selbst möglichst viele Lehrfunktionen zu übertragen. Die Funktion des einstigen Lehrenden ist jene des vorbereitenden, begleitenden und unterstützenden Lernhelfers. Lerner und Lehrer sind Lernpartner. Der Stoff wird erst allmählich in der Gemeinschaft in eine Struktur gebracht und nicht sofort vom Lehrenden vorgegeben. Mit LdL werden neben Kernwissen Möglichkeiten zu Spezialisierung und Einübung von Selbst-, Sozial- und Methodenkompetenzen gefördert.


Zum Auftakt der Hochschuldidaktikwoche hat PD. Dr. habil. Margret Ruep (Ministerialdirektorin a.D., Ehemalige Rektorin der Pädagogischen Hochschule Weingarten) am Montag, 10. Februar, einen Festvortrag zum Thema „Lernen durch Lehren – ein nachhaltiges Lehr-Lern-Prinzip für das 21. Jahrhundert“ gehalten. Anschließend wurden von Prof. em. Dr. Jean-Pol Martin und Prof. Dr. Joachim Grzega über die Grundlagen für Lernen durch Lehren berichtet. Im weiteren Verlauf der Woche folgten Fortbildungen über das Lernen in Projekten von Prof. Dr. Joachim Grzega und über die Kombination von digitalem Lernen und LdL von Isabelle Schuhladen.

Abschließend widmete sich am 13. Und 14. Februar eine interdisziplinäre Gruppe von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gemeinsam mit Herrn Simon W. Kolbe der Thematik Wertebildung und Werte. Im Rahmen der übergeordneten Dimension LdL war Ziel der Veranstaltung die Vermittlung von Grundkenntnissen zu LdL, die Erarbeitung und Überprüfung des Modells (=Kritik) für die Hochschuldidaktik und die Erfahrung von LdL in einem Modellversuch mit temporären, inhaltlichen und technischen Limitationen. Der Fokus der Einheiten zielte auf Werte und Wertebildung ab, insbesondere die innere Haltung wurde anhand von diversen Beispielen erarbeitet und diskutiert. In anspruchsvoller, aber kollegialer Atmosphäre stellten sich die Teilnehmenden konkreten Aufgaben und bearbeiteten diese auf Augenhöhe und in einem respektvollen Miteinander.

Bemerkenswert waren die multidisziplinären Zugänge zur Thematik und der von allen sehr gelobte produktive Austausch, der Platz für Kompetenzerwerb und Reflexion bot. Insbesondere da die Anwesenden in stark begrenzten Arbeitssettings (sie durften zum Teil kein Internet nutzen und Frontalunterricht war untersagt) einerseits mit dem Lern-Lehr-Ansatz Lernen durch Lehren und andererseits mit unbekannten Themeninhalten (z.B. der Umwelt-Enzyklika Laudato si‘ von Papst Franziskus) konfrontiert waren. So mussten Lösungen erarbeitet werden, die Wissen in relativ kurzer Zeit zusammenfassen und didaktisch an ein anspruchsvolles Publikum vermitteln konnten. Simon Kolbe plante bewusst viele Aspekte und Situationen ein, bei denen sich die Teilnehmenden offenen Fragestellungen widmeten, die zu bemerkenswerten Kontroversen führten. Dabei lernten alle bewusst und unbewusst andere Perspektiven über die eigene Situation kennen. Im Fokus standen: Ansprüche an die private und berufliche Lebenswelt; Strategien im Umgang mit Stress und Anforderungen; Sorgen, Erfolge und Lösungsoptionen in der eigenen Lehre; Perspektivenwechsel und fachliche Standpunkte aus den eigenen Wissenschaftsdisziplinen. In der Gruppenphase und anschließenden Umsetzung als Lehrende und Lernende zeigten die Teilnehmer*innen, welche Potenziale in ihnen lagen. Jeder und jede widmete sich kompetent und sicher den gestellten Aufgaben und die methodische Diversität war trotz der thematischen Parallelen und Limitationen sehr exzellent. Die Methoden-Repertoires wurden erweitert und individuelle Haltungen und Inhalte diskutiert, überdacht oder vorhandene Kompetenzen intensiviert und erweitert.

 

In der Veranstaltung beschäftigte sich die Gruppe im Kontext von Wertebildung und Werten mit Fragen nach idealisierten Eigenschaften und Kompetenzen von Dozierenden und Studierenden. Aber auch nach den kritischen Momenten innerhalb von Rahmenbedingungen an einer Hochschule oder der Frage „Wie man eine Lehrveranstaltung komplett an die Wand fahren kann“.

Als zentrales Ergebnis sind die „Zehn Gebote für exzellente Hochschullehre“ zu verbuchen, die bereits jetzt Diskussionsgrundlage für anstehende Publikationen und Veranstaltungen sind (es entsteht ein Herausgeberwerk zum Thema LdL unter Herausgeberschaft von Prof. em. Dr. Jean-Pol Martin, PD Dr. Margret Ruep und Simon Wilhelm Kolbe).

Auf der Ergebnisseite der Hochschuldidaktikwoche steht damit weit mehr, als die klassisch durch Fortbildungsangebote intendierte individuelle Weiterentwicklung. Der entstandene Diskurs rund um exzellente Hochschullehre ist eindrucksvoller Beleg, wie zeitgemäße Bildungsarbeit mit LdL gelingen kann.

 

(v.l.) Simon Kolbe und Dr. Clemens Oberhauser (Referent für hochschuldidaktische Fortbildungen an der KU) (Foto: Schulte Strathaus/upd)
(v.l.) Simon W. Kolbe und Dr. Clemens Oberhauser (Referent für hochschuldidaktische
Fortbildungen an der KU)

Foto: Schulte Strathaus/upd

Zehn Gebote für exzellente Hochschullehre

1. Vorbereitung
Du sollst gut vorbereitet sein. Nicht nur deine Materialien, sondern auch deine Aufmerksamkeit muss der Lehrveranstaltung gewidmet werden. Teste die Technik mit ausreichender Vorlaufzeit. Informiere dich über die Teilnehmer*innen.

2. Fehlermanagement
Akzeptiere und traue dich, Fehler zu machen. Die Lehrfunktion und der akademische Grad machen nicht allwissend. Entwickle seriöse Strategien, um Wissenslücken im Sinne der Lehrveranstaltung zu schließen.

3. Struktureller Humor
Nimm nicht alles zu ernst (und persönlich). Differenziere inhaltliche und persönliche Kritik. Ein gewisser Anteil an Humor und Witz macht deine Lehrveranstaltung attraktiver und sorgt für eine angenehme Lernatmosphäre.

4. Wissensverarbeitung
Vermittle Wissen, gib Unwissenheit zu und optimiere dein Wissen.

5. Zielgruppenorientierung
Achte auf die Zusammensetzung deiner Lerngruppe. Passe deine Methoden, Inhalte und Techniken den Bedürfnissen, Themen und Persönlichkeiten an.

6. Zielorientierung und Flexibilität
Formuliere deine Ziele klar, verständlich und umsetzbar. Passe sie an, wenn nötig, und biete flexible Wege der Erreichbarkeit an. Die Lerngruppe soll wissen und mitentwickeln, welche Ziele die Veranstaltung hat.

7. Methodenrepertoire
Wende mehrere verschiedene und abwechslungsreiche Methoden an: Lehre und lasse lernen. Vermeide Langeweile.

8. Inhaltskontinuität
Vergiss den Inhalt deiner Veranstaltung nicht. Bleib beim Thema und führe in Diskussionen dahin zurück.

9. Kommunikation
Sprich in der Sprache deiner Lerngruppe. Passe deine Kommunikationsformate an und entwickle verständliche und leicht zu verstehende Formulierungen. Nutze adäquate Ansätze von Gesprächsführung und Fragestellungen.

10. Feedback
Organisiere Feedback als Teil deiner Lehre. Empfange Rückmeldungen mit Respekt, Demut und Ernsthaftigkeit. Gib sinnvolles Feedback und Hilfestellungen an die Gruppe und Individuen. Achte auf Feedbackregeln. Plane Zeit dafür ein.

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